April 10, 2023
Auf die Frage, warum der Himmel blau ist, lassen sich zwei sich ergänzende Antworten finden – eine physikalische und eine psychologische. Erfahre hier den Grund!
Neulich bekam ich Besuch von der Familie meines Cousins. Seine Tochter ist drei und gerade in der allseits bekannten „Warum?“-Phase. Beim Spaziergang musste ich also nicht lange warten, bis einer der absoluten Klassiker in dieser Phase fiel: „Und warum ist der Himmel blau?“ Gute Frage, dachte ich, da habe ich mir schon lange keine Gedanken mehr drüber gemacht. Und so eine ungefähre Ahnung hatte ich auch, aber ganz sicher war ich mir dann doch nicht. „Warum ist das Auto rot?“ – kam dann schon gleich danach von der Kleinen. Eine Antwort war für sie also akut nicht mehr nötig. Ich hingegen wollte es schon gerne noch wissen, denn nur, weil wir uns über etwas nach all den Jahren nicht mehr wundern, heißt das nicht, dass es nicht spannend sein kann, die Antwort rauszufinden.
Fangen wir mit der Physikalischen an: Schauen wir in den Himmel, dann schauen wir in die Luft, die Erdatmosphäre. Diese besteht aus verschiedenen Gasteilchen, wie z. B. Sauerstoff und Stickstoff. Durch diese Erdatmosphäre hindurch trifft uns nun das Licht der Sonnenstrahlen. Sonnenstrahlen kommen uns meist sehr hell weißlich vor, denn sie bündeln in sich eine Mischung aus ganz vielen verschiedenfarbigen Lichtern – diese bunten Farben kennen wir vom Regebogen. Die unterschiedlichen Farben des Lichts unterscheiden sich dabei dadurch, dass sie Licht unterschiedlicher Wellenlänge sind.
Bewegt sich ein Sonnenstrahl nun in die Erdatmosphäre hinein, geht er nicht durch „Nichts“ wie in einem Vakuum. Stattdessen trifft er auf seiner Reise auf viele verschiedene Gasteilchen, an denen sich das Licht bricht und damit leicht seine Richtung ändert. Der Winkel dieser Richtungsänderung ist jedoch abhängig von der Wellenlänge des gebrochenen
Lichts. Der blaue Anteil im Sonnenstrahl hat eine sehr kleine Wellenlänge und wird dadurch um einen großen Winkel abgelenkt – man sagt auch, es wird stark gestreut. Der rote Anteil im Licht hat hingegen eine recht lange Wellenlänge und wird daher weniger stark gestreut.
Was bedeutet das jetzt konkret für die Farben am Himmel? Haben wir einen wolkenlosen Himmel und befinden uns in der prallen Mittagssonne, dann fällt das Licht der Sonne in einem steilen Winkel auf die Erde ein. Der Weg, den das Licht zurücklegen muss, um in unser Auge zu treffen, ist relativ kurz. Lassen wir nun unseren Blick in den Himmel schweifen, fallen uns aus allen Richtungen die blauen Lichtstrahlen ins Auge, da diese eben stark gestreut werden. Schauen wir stattdessen abends kurz vor Sonnenuntergang in den Himmel, steht die Sonne nah am Horizont und damit so zu Erde, dass das Licht einen recht langen Weg zurücklegen muss, bis es in unser Auge trifft. Auf diesem langen Weg werden die blauen Anteile in alle Richtungen gestreut, sodass nur wenig davon noch unser Auge trifft. Die weniger abgelenkten roten Anteile hingegen schaffen es noch in unser Auge. Ähnlich, nur aus einer anderen Himmelsrichtung kommend, verhält es sich mit der Morgenröte.
Berge in der Ferne wirken übrigens aus zwei Gründen meist bläulich: Zum einen, da sich zwischen Berg und Betrachter so viel Luft befindet, dass der bereits bekannte Streuungseffekt zum Tragen kommt. Gerade bei dicht bewachsenen Bergen wird der Effekt jedoch noch verstärkt von natürlichen UV-Schutzmitteln der Pflanzen. Um sich vor der Hitze und der Sonne zu schützen, dünsten viele Pflanzen nämlich den Kohlenwasserstoff Isopren aus. Dieser Isopren-Dunst in der Luft wirkt über große Flächen betrachtet dann ebenfalls bläulich, wie es z. B. eindrucksvoll an den Blue Mountains im Osten Australiens zu sehen ist.
Ergänzend habe ich euch ja aber auch noch eine psychologische Antwort versprochen. Sie lautet in etwa: Der Himmel erscheint uns blau, weil wir ein Wort dafür haben.
Natürlich haben wir auch Wörter für grün und beige, und nehmen den Himmel dennoch nicht in diesen Farben wahr. Gemeint ist damit auch eher, dass wir den Himmel, mit den verschiedenen Farbnuancen, die er je nach Wetterlage so den Tag über haben kann, dennoch meist als „blau“ kategorisieren, weil wir alle diese Nuancen in unserer Sprache unter diesem Farbbegriff zusammengefasst haben. Ein paar Beispiele, um das Ganze konkreter zu machen:
Die russische Sprache unterscheidet ganz klar abgegrenzt ein Wort für „hellblau“ und ein Wort für „dunkelblau“. Das sind für russische Muttersprachler*innen nicht etwa einfach Schattierungen der gleichen Farbe. Auch wir werden in der Lage sein, in den extremen Randbereichen ein dunkles Blau von einem hellen Blau zu unterscheiden (sonst wäre das RWTH-Logo auch eher schlecht gewählt). Gehen wir aber in die Übergangsbereiche der beiden Farben, zeigen z. B. die Experimente von Jonathan Winawer am MIT, dass das russische Gehirn die Farben schneller einem der Wörter zuordnen und sie damit auch deutlicher voneinander unterscheiden kann. Daher nehmen russische Muttersprachler*innen den Himmel vermutlich auch nicht nur als blau wahr, sondern eben z. B. als dunkelblau.
Aber auch in die andere Richtung können wir gehen: Die indigene bolivianische Sprache Tsimané kennt weniger Farbwörter als das Deutsche. Nämlich in etwa „hell“, „dunkel“ und „rot“. Nicht nur nennen Muttersprachler*innen den Himmel dann jedoch nicht blau, sie nehmen ihn auch nicht zwingend vom Horizont distinktiv als bläulich war. Haben wir also einen blauen Himmel über einer saftig grünen Wiese, sieht dieses Farbspektakel für die Tsimané, wie Studien zeigen, eher nach einer Farbe von unterschiedlicher Schattierung aus. Das mag vielleicht schwer vorzustellen sein, wird aber vermutlich verständlicher, wenn man sich noch einmal vor Augen führt, dass auch wir nur unterschiedliche Schattierungen wahrnehmen, während russische Muttersprachler*innen klar unterscheiden. Vielleicht kann man sich diesen Anblick aus Sicht der Tsimané also in etwa so vorstellen, wie wenn wir einen blauen Himmel über blauem Meer betrachten.
Wer hätte gedacht, dass so vieles hinter der vermeintlich simplen Frage einer Dreijährigen steckt. Immerhin kennen wir die Antwort jetzt. Und wenn sie mich das nächste Mal fragt, warum der Himmel blau ist, dann drücke ich ihr einfach diese PRINTE in die Hand und hoffe, dass sie dann schon lesen kann…
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