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Flirten macht Spaß.
Sexuelle Belästigung nicht.

Über Red Flags im Hochschulkontext:
Erst letztens erzählte mir eine Freundin von einem Vorfall, der sich vor Jahren zwischen ihr und ihrem damaligen Hiwi-Kollegen zugetragen hat. „Weißt du, er schaute mich so an und sagtausm Nichts, er würde im Büro gerne auch mal schöne Brüste sehen.“  Ich bin stutzig. Was hat er gesagt?! „Der war halt immer so. Zum Glück arbeite ich nicht mehr mit ihm“, ist ihre Antwort auf meinen Blick.

Ich muss immer wieder feststellen, dass betroffene Personen von sexueller Belästigung über merkwürdige Situationen und unangebrachte Kommentare schweigen oder diese belächeln. Meist sind sie es selbst, die sich zum Schweigen bringen, denn „es war ja nicht so gemeint“ und man möchte keinen unnötigen Trubel verbreiten. Viel häufiger als angenommen findet sexuelle Belästigung auch unter Freunden statt. In diesem Fall wissen Betroffene noch weniger, wie sie damit umgehen sollen. Die größte Befürchtung ist, dass einem nicht geglaubt wird, denn die wenigsten Situationen lassen sich im Nachhinein beweisen und es kommt zu Aussage gegen Aussage. Auch „Victim Blaming“ ist bei dieser Thematik keine Seltenheit – die Umkehr der Täter-Opfer-Rolle, bei der dem Opfer Nichthandeln oder Provokation vorgeworfen und die eigentliche Tat des Gegenübers relativiert wird.  Vielleicht ist die betroffene Person sich ihrer Lage auch gar nicht so genau bewusst, denn sexuelle Belästigung ist es ja erst, wenn sie ungefragt angefasst wird. Oder etwa nicht??  

Das ist selbstverständlich eine rhetorische Frage. Sexuelle Belästigung fängt nicht erst bei Übergriffigkeit an, wobei erst die sexuelle körperliche Berührung strafrechtlich verfolgbar ist (§184i StBG). Im Alltag fängt sexuelle Belästigung aber schon bei angeblich unscheinbaren Situationen an, wie unangebrachten Kosenamen („Schätzchen“, „Süße“), obszönen Witzen und Gesten, intimen Fragen, eine unangemessene Einladung oder Aufforderung. Das Gesamtbild vieler dieser kleinen Momente kann Betroffenen deutlich machen, dass sie sich keineswegs unbegründet unwohl fühlen. Unwohlsein – das ist der ausschlaggebende Punkt. Wenn dir eine Situation unangenehm ist, lohnt es sich genauer hinzusehen, denn: Flirten macht Spaß. Sexuelle Belästigung nicht.  

Um das Genauer-Hinsehen zu trainieren, haben Sara Hassan und Juliette Sanchez-Lambert in ihrem Buch Grauzonen gibt es nicht ein Red-Flag-System beschrieben, welches Muster sexueller Belästigung aufzeigt.
Ich möchte einige dieser Red Flags in den Hochschulkontext setzen, da ich befürchte, dass sich einige irgendwo darin wiederfinden werden: 
 

Der/Die Anfänger*in 
Als Ersti oder Erstine ist man immer Anfänger*in. Das sagt der Name schon. Auch im neuen Job nimmt man diese Position erstmal ein. Du kennst „die Regeln“ noch nicht und möchtest in deinem neuen Lebensabschnitt „bloß nichts falsch machen“. Diese Zeit ist auch voller Wachstum, doch aufgepasst, wenn es sich mit einem der Folgenden paart.  

Abhängigkeiten 
Durch Wissensdifferenz und die Inanspruchnahme von Hilfe seitens Professor*innen, Mentor*innen oder Tutor*innen können Abhängigkeiten entstehen, die vermeintliche Gegenleistung erwarten. Die Situation der Abhängigkeit beeinflusst das Verhalten und die Möglichkeit zu handeln. 

Machtdynamiken 
Lehrende sind für die Bewertung deiner studentischen Leistung verantwortlich. Genauso haben Tutor*innen in der Erstiwoche eine gewisse Position, zu der „hinaufgeschaut“ wird. Ein ungleichmäßiges Machtverhältnis lässt ein Kompliment beispielsweise in ein anderes Licht rücken. Zudem mag es einem schwieriger fallen, sich Situationen zu entziehen. 

Das „Netter-Kerl-Syndrom“ 
Wirst du von einer Person belästigt, die in ihrem Umfeld – hier, der Hochschule – einen guten Ruf hat und beliebt ist, wird die Glaubwürdigkeit von Betroffenen mit höherer Wahrscheinlichkeit in Frage gestellt, ganz nach dem Motto „Das würde XY doch nie tun.“ Man vertraut vielleicht auch den Meinungen und Erfahrungen Studierender höherer Semester. Fehler von beliebten Personen werden unreflektiert verziehen.  

Die unausgesprochene sexistische Kultur 
Mit Beginn des Studiums umgibt man sich mit einer neuen Gruppe Menschen, deren Dynamik eventuell schon etabliert ist und sich mit den eigenen Grenzen widerspricht. Das können bspw. allgemein akzeptierte sexuelle Anspielungen und übermäßiger Körperkontakt sein. Man nimmt diese Dynamik trotz Unwohlsein eher hin, da man „dazugehören“ und sich nicht unbeliebt machen möchte. 

Systematisch missbräuchliches Verhalten 
Zuletzt ein großes Red Flag ohne Hochschulkontext. Es ist keine Seltenheit, dass sexuelle Belästigung mit psychischem Missbrauch einhergeht. Hier lässt sich wiederholt folgende Systematik feststellen: Täter*innen geben der Person eine Sonderstellung und heben sie durch Komplimente o.Ä. auf ein Podest und isolieren die Person so. Durch ein „heiß und kalt“-Spiel erreichen sie emotionale Abhängigkeit. Zu guter Letzt wird die Wahrnehmung der Person in Frage gestellt und soweit verwirrt, dass sie an sich selbst zweifelt. Dies nennt man „Gaslighting“.  

(Für eine detaillierte Ausführung des Red-Flag-System und systematischen Verhaltens von Täter*innen, verweise ich auf die Content-Tipps am Ende des Textes.) 

Die Person, die sich selbst zum Schweigen gebracht hat, war ich auch mal. Mit den Red Flags im Gedächtnis werde ich merkwürdigen Situationen zukünftig aber hoffentlich anders begegnen. Ich werde auch ein offenes Ohr haben für jeden und jede, der/die eine Situation oder einen Kommentar nicht richtig einzuschätzen weiß. Wir alle müssen Betroffenen von sexueller Belästigung ein offenes Ohr bieten und das Thema ansprechen.  
Was sagst du? 

Anlaufstelle der Hochschule 
Gleichstellungsbüro 

Von Seiten der FH Aachen gibt es das Gleichstellungsbüro, welches in Fällen von sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt berät. Hier kann man sich auch über Beschwerdeverfahren informieren und Hilfe in Anspruch nehmen. Für jeden Fachbereich gibt es einzelne Gleichstellungsbeauftragte. 

Tel.: +49 241 6009 51603 
gleichstellung@fh-aachen.de 
www.fh-aachen.de/hochschule/gleichstellung 

Zudem kannst du dich an den/die Vertrauensdozent*in deines Fachbereichs, deinen FSR und uns, den AStA, wenden.


Content-Tipps
 


Buch „Grauzonen gibt 
es nicht – Muster sexueller Belästigung mit dem Red-Flag-System erkennen “  
Sara Hassan, Juliette Sanchez-Lambert 
kostenlose PDF auf shop.oegbverlag.at/grauzonen-gibt-es-nicht 

Videoerklärung zu Beidseitigem Einverständnis 
GONEASTRAfilms,  engl. Original von den Blue Seat Studios 
YouTube: Beidseitiges Einverständnis – so einfach wie Tee 

Autor: AC

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